Mein Herz, ich will dich fragen
Mein Herz, ich will dich fragen,
Was ist denn Liebe, sag'? -
"Zwei Seelen und ein Gedanke,
Zwei Herzen und ein Schlag!"
Und sprich, woher kommt Liebe? -
"Sie kommt und sie ist da!"
Und sprich, wie schwindet Liebe? -
"Die war's nicht, der's geschah!"
Und was ist reine Liebe? -
"Die ihrer selbst vergißt!"
Und wann ist Lieb' am tiefsten? -
"Wenn sie am stillsten ist!"
Und wann ist Lieb' am reichsten? -
"Das ist sie, wenn sie gibt!"
Und sprich, wie redet Liebe? -
"Die redet nicht, sie liebt!"
Friedrich Halm
Nur liebend ist dein Herz ein Herz
Was ist die Welt, wenn sie mit dir
Durch Liebe nicht verbunden?
Was ist die Welt, wenn du in ihr
Nicht Liebe hast gefunden?
Verklage nicht in deinem Schmerz
Des Herzens schönste Triebe!
Nur liebend ist dein Herz ein Herz,
Was ist es ohne Liebe?
Wenn du die Liebe nicht gewannst,
Wie kannst du es ermessen,
Ob du ein Glück gewinnen kannst,
Ob du ein Glück besessen?
Hoffmann von Fallersleben
Dein Lieben scheint noch gar gering,
O rede nicht vom Schmerze!
Die Sehnsucht lernt vom Schmetterling
Und Liebe von der Kerze.
Genügt's dem Schmetterling, am Glanz
Die Flügel zu versehren,
So muß sich doch die Kerze ganz
An Liebesglut verzehren.
Hoffmann von Fallersleben
Liebestrost
Laß dich immer nur verhöhnen,
Liebe kennet keinen Spott.
Trost in Tränen, Trost in Tönen
Sendet dir der liebe Gott.
Wenn die Blumen sich entfalten,
Äugelt Gottes Sonne drein -
Herz, so laß den Himmel walten,
Dir auch gibt er Sonnenschein.
Hoffmann von Fallersleben |
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Die Liebe gleicht dem April:
Bald Frost, bald fröhliche Strahlen,
Bald Blüten in Herzen und Talen,
Bald stürmisch und bald still,
Bald heimliches Ringen und Dehnen,
Bald Wolken, Regen und Tränen -
Im ewigen Schwanken und Sehnen
Wer weiß, was werden will!
Emanuel Geibel
Wenn die Sonne hoch und heiter
Lächelt, wenn der Tag sich neigt,
Liebe bleibt die goldne Leiter,
Drauf das Herz zum Himmel steigt;
Ob der Jüngling sie empfinde,
Den es zur Geliebten zieht,
Ob die Mutter sie dem Kinde
Sing' als süßes Wiegenlied,
Ob der Freund dem Freund sie spende,
Den er fest im Arme hält,
Ob der hohe Greis sie wende
Auf den weiten Kreis der Welt,
Ob der Heimat sie der Streiter
Zolle, wenn er wund sich neigt:
Liebe bleibt die goldne Leiter,
Drauf das Herz zum Himmel steigt.
Emanuel Geibel
Die beiden Engel
O kennst du, Herz, die beiden Schwerterengel,
Herabgestiegen aus dem Himmelreich:
Stillsegnend Freundschaft mit dem Lilienstengel,
Entzündend Liebe mit dem Rosenzweig?
Schwarzlockig ist die Liebe, feurig glühend,
Schön wie der Lenz, der hastig sprossen will;
Die Freundschaft blond, in sanftern Farben blühend,
Und wie die Sommernacht so mild und still;
Die Lieb' ein brausend Meer, wo im Gewimmel
Vieltausendfältig Wog' an Woge schlägt;
Freundschaft ein tiefer Bergsee, der den Himmel
Klar widerspiegelnd in den Fluten trägt.
Die Liebe bricht herein wie Wetterblitzen,
Die Freundschaft kommt wie dämmernd Mondenlicht;
Die Liebe will erwerben und besitzen,
Die Freundschaft opfert, die sie fordert nicht.
Doch dreimal selig, dreimal hoch zu preise
Das Herz, wo beide freundlich eingekehrt,
Und wo die Glut der Rose nicht dem leisen
Geheimnisvollen Blühn der Lilie wehrt!
Emanuel Geibel |