Das Lied vom bißchen Sonnenschein
 
 
Es ist ein bißchen Sonnenschein, 
Auf meinen Weg gefallen, 
Da hört ich gleich des Glücks Schalmein 
Aus allen Himmeln hallen 
Und glaubte gleich, 
Das Himmelreich, 
Das Himmelreich sei mein. 
 
Der Sonnenschein ist weggeglänzt, 
Er galt nicht meinem Wege, 
Ich habe mich zu früh bekränzt, 
Nun kreischt des Grames Säge: 
Der Winter naht, 
Der Potentat, 
Es hat sich ausgelenzt. 
 
Otto Julius Bierbaum 
 
 
 
 Gavotte des Verliebten 
 
Wie ging ich durch mein Leben hin? 
An einem roten Bande; 
Dran führte mich meine Königin 
Durch lauter selige Lande. 
Bald auf, bald ab, bald quer, bald krumm, 
Mal rechtsherum, mal linksherum, 
Doch stets am Liebesbande. 
 
So war ich Knecht mein Leben lang? 
Der Knecht am roten Bande? 
O nein: es war ein Königsgang 
Durch unterworfene Lande; 
Ein Königsgang, ein Königstanz, 
In freier Kraft durch Glück und Glanz 
Am roten Liebesbande. 
 
 Otto Julius Bierbaum 
 
 
 
 Trab 
 
Gern wohl möchte mich die Braune. 
Doch ich soll erst karessieren, 
Redebutterbröte schmieren; 
Dazu hab ich keine Laune. 
 
Komm und küß und sei vernünftig, 
Spiel nicht lange erst die Spröde! 
Schönste Schmeichelbutterbröte 
Und noch mehr bekommst du künftig. 
 
Otto Julius Bierbaum 
 
 
 
Der Liebende mag schüchtern sein, 
Die Schüchternheit wird sich verlieren 
Beim ersten Kusse. 
 
Der Trinkende mag nüchtern sein, 
Die Nüchternheit wird sich verlieren 
Beim Weingenusse. 
 
Doch wer nicht frühe Wein und Kuß 
Gelernt zu schätzen: 
Dem wird verspäteter Genuß 
Das nicht ersetzen. 
 
Friedrich Bodenstedt | 
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 Das Veilchen 
 
Ein Veilchen auf der Wiese stand 
Gebückt in sich und unbekannt;  
Es war ein herzigs Veilchen. 
Da kam eine junge Schäferin 
Mit leichtem Schritt und munterm Sinn 
Daher, daher 
Die Wiese her, und sang.  
 
Ach! denkt das Veilchen, wär' ich nur 
Die schönste Blume der Natur,  
Ach, nur ein kleines Weilchen,  
Bis mich das Liebchen abgepflückt 
Und an dem Busen matt gedrückt!  
Ach nur, ach nur 
Ein Viertelstündchen lang!  
 
Ach! aber ach! das Mädchen kam 
Und nicht in Acht das Veilchen nahm,  
Ertrat das arme Veilchen.  
Es sank und starb und freut' sich noch:  
Und sterb' ich denn, so sterb' ich doch 
Durch sie, durch sie,  
Zu ihren Füßen doch. 
 
Johann Wolfgang von Goethe 
 
 
 
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Mädchen, willst du mir gehören, 
So sprich ja, und schlag nur ein! 
Kann nicht seufzen, kann nicht schwören, 
Willst du? - Gut! - Wenn nicht, - mag's sein! 
 
Gold hab' ich nicht aufzuweisen, 
Aber Lieder zahlen auch; 
Will dich loben, will dich preisen, 
Wie's bei Dichtern heitrer Brauch. 
 
Doch gefällt's dir einst zu brechen, 
Tu's mit Maß und hüte dich! 
Lieb, das schmeichelt, kann auch stechen, 
Dich verletzest du, nicht mich. 
 
Dichters Gram ist bald verschlafen, 
Seine Kunst ist trostesreich; 
Und die Lieder, die dich strafen, 
Trösten heilend ihn zugleich. 
 
Franz Grillparzer 
 
 
 
 Fichtenbaum und Palme 
 
Ein Fichtenbaum steht einsam 
Im Norden auf kahler Höh'! 
Ihn schläfert; mit weißer Decke 
Umhüllen ihn Eis und Schnee. 
 
Er träumt von einer Palme, 
Die fern im Morgenland 
Einsam und schweigend trauert 
Auf brennender Felsenwand. 
 
Heinrich Heine 
 
 
 
Wenn ich hoch den Becher schwenke süßberauscht, 
Fühl' ich erst, wie tief ich denke süßberauscht; 
Mir wie Perlen runden lieblich Verse sich, 
Die ich schnüreweis' verschenke, süßberauscht; 
Voll des Weines knüpf' ich kühn des Zornes Dolch 
An der Liebe Wehrgehenke, süßberauscht; 
Hoffen darf ich, überhoben meiner selbst, 
Daß ein fremder Schritt mich lenke süßberauscht; 
Staunend hören mich die Freunde, weil ich tief 
In Mysterien mich senke süßberauscht! 
Weil mein Ich ganz entfaltet, wenn ich frei 
Keiner Vorsicht mehr gedenke, süßberauscht; 
Wehe, wer sich hinzugeben nie vermocht, 
Wer dich nie geküßt, o Schenke! Süßberauscht. 
 
August von Platen |