Reifes Glück
Es war in solchen sommerjungen Tagen,
Wo Seligkeit in allen Pulsen drängt,
Und was die Bäume knospend einst getragen,
Hingebend reif in allen Zweigen hängt.
Wir waren weit vom Schloß ins Land gegangen,
Auf fremden Wegen, die ich nicht mehr weiß, -
Auch unsre Sehnsucht reifte zum Verlangen,
Und unsre Wangen brannten jugendheiß . . .
Der Bergwald webte amarantne Schatten,
Als schlöß er heimlich hinter uns die Welt,
Und weit aus allen thalversunknen Matten
Kam es wie Duft von reifem Korn gewellt.
Gewiß, mir war's, ich müßte tiefhin lauschen,
Als hört' ich alle Lebensströme gehn,
In warmem Rinnen diese Welt durchrauschen,
Und Kraft und Lust aus ihrer Schwingung wehn.
Und unsre und der Erde Pulse beben
In Sommerschauern dieser reichen Zeit;
Ein Wille, ein allmächtiger, zum Leben
Ward in uns wach in Kräfteseligkeit.
Dein Auge lachte mir mit warmen Fragen, -
Die erzne Stirn von Locken wild umschmiegt,
So schienst du wie ein Held aus frühen Sagen,
Der fragelos und ohne Kämpfen siegt.
Tiefeinsamkeit lag rings; nur Falter hingen
Sich taumelnd mir ins Haar und ans Gewand . . .
Du sprachest: "Ist es nicht, als ob wir gingen
So weltabseits in einem Märchenland?"
"Ich bin der Prinz, der dich aus Drachensängen
Erlöst und heimwärts leitet auf sein Schloß,
Aus Nacht und Gifthauch und aus grimmen Engen
In Sonnenfreiheit als sein Glückgenoß.
"Siehst du, das Abendrot legt güldne Bänder
Auf deiner Stirne braunes Haargekraus,
Dich tragen fast wie Schwingen die Gewänder,
Als flögst in einen Himmel du hinaus. -"
Und zärtlich flüstert eine wilde Taube,
Und flog ins Heidedämmern uns voran -
Beglänzte Zweige flochten eine Laube,
Und hinter uns verwuchs zur Welt die Bahn . . .
Bekenntnis
Und wieder ist ein Tag ins Nichts gegangen;
Der Tauwind raunt und redet durch die Nacht,
Die von bewegten Wolken wild umhangen,
Mit großem Mondblick fragend ist erwacht.
Sie hat in mir ein Heimweh, ein Verlangen,
Wie eine Gottesflamme hoch entfacht
Nach etwas Ungeahntem, Wundervollen,
Nach etwas, das ich hätte leben wollen.
Und tiefer breitet sich der Nacht Vergessen -
Die unerfüllte Stunde fragt nach dir,
Und rinnt dann ins Verlorene; indessen
Der Geist von Lust und Willen lodert mir.
Und eine Kräftefülle unermessen
Die lichte Grenze dieser Seele hier
In regem Lebensdrange will vernichten,
Um, sich vermählend, in dein Ich zu flüchten.
Doch ist mir nur noch kurze Zeit gegeben,
Dem innren Reichtum wird kein Raum gegönnt,
Sich jubelnd auf der Erde auszuleben.
Mich fordert bald ein dunkles Element . . .
Und unbegreifend schreitest du daneben,
Und du verstehst es nicht, wie's in mir brennt:
Der wen'gen Erdentage leere Hüllen
Nur noch mit deinem Inhalt zu erfüllen.
Und du verstehst es nicht, wenn meine Mienen
Geheime Angst durchirrt in Fieberhast.
Wie kleinlich Zweifeln ist's dir dann erschienen,
Das du in sichrem Stolz verworfen hast.
Du Lebenskräft'ger, dem die Stunden dienen,
Der sie, ein weites Herrscherreich, umfaßt,
Der lächelnd noch mit ihrem Wert verschwendet,
Indes der Andre sich zur Grenze wendet . . .
Dann manchmal, wenn ich nächtens einsam sitze,
Und du vielleicht in ernster Pflichten Kreis,
Nach kampf- und arbeitvoller Stunden Hitze
Sich deine Stirne müde neigt und leis,
Dann ist's, als säh' ich deiner Augen Blitze
Auflodern, wie von einer Sehnsucht heiß, -
Und deine Blicke fragen in die Weiten,
Als suchten sie verlorne Seligkeiten . . .
Ob dir dann auch, wie aus versunknen Träumen,
Auftaucht das kleine, dämmernde Gemach?
Ein zartes Demantlicht lag in den Räumen,
Das wie aus seltsamen Gestirnen brach - - -
Und kam doch nur von unsern Wimpersäumen:
Denn unsre Seele ward im Auge wach,
Und aus den scheuen, warm erregten Blicken
Ging's auf wie Morgenröte von Entzücken!
Wie ward an meinem liebevollen Herzen
Der Marmor deiner Glieder glutbelebt!
Die Brust, gegossen wie aus edlen Erzen,
Wie sie sich weich, in fremder Wonne hebt,
Und alles, was die Sehnsucht schuf an Schmerzen
Bergeht im Kuß . . . und alle Qual verschwebt,
Da sich die beiden zitternden Gestalten,
In Einheit aufgelöst, umfangen halten.
Und weißt du's nun, mein Lieb, was mir tiefinnen
Den besten Kern der Lebenskraft verletzt?
Ich seh' die Stunden ins Verlorne rinnen,
Indes das Todesbild mein Blut durchhetzt.
Ich kenn' das Glück, - ich weiß es zu gewinnen,
Doch sind der Sehnsucht Grenzen hart gesetzt -
Und mir wird wenig Erdenfrist gegeben,
Das Glück an deinem Herzen auszuleben.
O, darum geize nicht mit diesem Glücke!
Sei groß! denn du bist unermessen reich.
Gib mir dein ganzes Ich! nicht Augenblicke
Der Seligkeit! Dich ganz als Himmelreich . . .
Nach uns zerbrech' die Welt in Splitterstücke!
Lachend sehn wir dem Tod ins Antlitz bleich:
Denn, wenn wir uns mit starkem Arm umschlossen,
Ward alles Paradies voraus genossen! |
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Mai des Glückes
Draußen rüttelt an dem starken Riegel,
Rüttelt an der Pforte Früh-Lenzwind,
Als entriß er heimlich gern das Siegel
Von den Wundern, die verschlossen sind.
Spiele mit den Wolken, flieg durch Sterne,
Küsse die erwachenden Syringen,
Strebe in die sehnsuchtoffne Ferne
Jauchzend auf den lieben Maienschwingen;
Rede mit den jungen Nachtigallen, -
Hörst du sie aus Knospenhecken dort?
Juble, klage, sing mit allen, allen,
Aber geh vorbei an diesem Ort!
Denn auf deinen zartbewegten Flügeln
Trägst du den befreiten Lenz zu jenen,
Die vom Garten bis zu fernsten Hügeln
Sich nach seiner reichen Jugend sehnen;
Aber hier und heut, in diesen Räumen
Steht das Leben selbst in hohem Mai.
Machen Glut und Sehnsucht alles Träumen
Aus den knospenengen Hüllen frei.
Glüht dein Mund, mein Lieb, nicht gleich wie Rosen?
Duftet nicht dein Atem wie Narzissen?
Ist dein Lieben nicht wie Lenzestosen,
Das dem Winter: Leid, sich warm entrissen?
Zeichnet Leidenschaft dir auf die Stirne
Nicht so junge, wundersame Glut,
Wie sie auf der stolzen Bergesfirne
Nur im Frühelicht des Lenzes ruht?
Und wie Knospen aufgehn, wenn ein lauer
Maienregen über Nacht geflossen,
Hat mein Herz sich nicht im Thränenschauer,
Wie die Märchenblume dir erschlossen?
Tauwind
Es war im März ein tiefer Schnee
Ueber die Felder gesunken,
Wo einst der lustige, duftende Klee
Aufblitzte wie rötliche Funken.
Doch hinter dem Wald in Eiskrystall
Kichert es schon wie Stimmen;
Ein warmer Wind fährt durch das All,
Und die Säume der Wolken glimmen . . .
Das kommt wie der große Lebenszug
Von Liebe und dämmerndem Lenze;
Es schimmern die Bilder im Wolkenflug
Wie Amorettentänze.
Der Wind wird bald in tollem Spiel
Sich wolkenüber stürzen,
Und weither bringt er freudenviel
Gedüft von zarten Würzen.
Das bleiche Eis schmilzt Stück um Stück
Ob winteralten Schollen -
Es wächst ja immer das junge Glück
Aus Fernem und Ahnungsvollen . . .
Auch du, mein Herz, in neuer Luft,
Rege die Schwingen, die müden!
Denn Tauwind, der den Frühling ruft,
Kommt zärtlich-gewaltig von Süden -
Heidedämmerung
Wie flammten damals Büsche doch und Wälder
In einem fremden, großen Abendlicht!
Waldhin ging's durch die ährenblonden Felder -
Wir flogen fast - wir wendeten uns nicht . . .
Und du voran; stumm - und nur manchmal brannte
Dein Blick kurz auf; - es blendete mich fast . . .
Und weißt du, was ich tief aus ihm erkannte?
Die große Sonne war bei dir zu Gast!
Die große Glut des Glückes ohne Worte,
Die weit entfliehen will aus heller Welt,
Und die beflügelt eilt an stille Orte,
Wo gnädig reicher Zweige Vorhang fällt . . .
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Hier ist die Heide! uns umhegt die Stille.
Ich weiß nur noch, daß du auf Erden bist -
Es wacht die Sehnsucht, und es schläft der Wille -
Die Zeit lebt nur, die mir dein Atem mißt . . .
Dein Kuß hebt mich in wundervolle Schwülen;
Wir lieben uns so sehr, so wonnejung -
Nicht denken will ich mehr - nichts, nichts als fühlen
Sink auf uns nieder, - Heidedämmerung! . . .
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