Ich hatt' mal eine gute Zeit
Ich hatt' mal eine gute Zeit -
Kaum wie ein Hündlein bellt im Traum
Sprach ich von Liebesschmerzen;
Wie jeder mal im Märzen klagt,
Wenn schon der Frühling angesagt,
Und Hastigkeit die Glieder plagt;
Wenn Neugier durch die Äste jagt,
Wenn kahl noch der Kastanienbaum
Schier stündlich nach den Kerzen fragt.
So wie vom Regenschnee der Flaum
Rührte kaum Leid des Ärmels Saum,
Aufs Höchste spürte man's am Kleid.
Blitz lag noch nicht mit Blitz im Streit,
Die Liebe lief durch die Ewigkeit,
Kein Meilenstein stand weit und breit.
Die Sehnsucht traf noch nicht das Mark,
Ich sehnte mich am Sehnen stark,
Blau war noch die Unendlichkeit -
Ich hatt' mal eine gute Zeit.
Max Dauthendey
Wie es geht
Sie redet ihr zu: "Er liebt dich nicht,
Er spielt mit dir!" da senkt sie das Haupt
Und Tränen perlten ihr vom Angesicht,
Wie Tau von Rosen. Weh! daß sie's geglaubt,
Denn als er kam und zweifelnd fand die Braut,
Ward er voll Trotz, nicht trübe wollt' er scheinen;
Er sang und spielte, trank und lachte laut -
Um dann die Nacht hindurch zu weinen.
Wohl pocht ein guter Engel an ihr Herz
- Er ist doch treu, gib ihm die Hand, o gib! -
Wohl fühlt auch er durch Bitterkeit und Schmerz
"Sie liebt dich doch, sie ist ja doch dein Lieb,"
Ein freundlich Wort nur sprich, ein Wort vernimm,
So ist der Zauber, der euch trennt, gebrochen!
Sie gingen, sah'n sich - o, der Stolz ist schlimm -
Das eine Wort blieb ungesprochen.
So schieden sie! und wie im Münsterchor
Verglimmt der Altarlampe roter Glanz,
Erst wird er matt - dann flackert er empor
Noch einmal hell, - und dann verlischt er ganz,
So starb die Lieb' in ihnen, erst beweint,
Dann heiß zurückersehnt und dann vergessen.
Bis sie zuletzt, es sei ein Wahn gemeint,
Daß sie sich je dereinst besessen.
Nur manchmal fuhren sie im Mondenlicht
Vom Kissen auf, von Tränen war es naß,
Und naß von Tränen war auch ihr Gesicht,
Geträumet hatten sie - ich weiß nicht was,
Dann dachten sie der alten schönen Zeit
Und an ihr nichtig Zweifeln, an ihr Scheiden,
Und wie sie nun so weit, so ewig weit!
O, Gott vergib! - vergib den beiden!
Emanuel Geibel
Wolle keiner mich fragen
Wolle keiner mich fragen,
Warum mein Herz so schlägt.
Ich kann's nicht fassen, nicht sagen,
Was mich bewegt.
Als wie im Träume schwanken
Trunken die Sinne mir,
Alle meine Gedanken
Sind nur bei dir.
Ich hab die Welt vergessen,
Seit ich dein Auge gesehn.
Ich möchte dich an mich pressen
Und still im Kuß vergehn.
Mein Leben möchte' ich lassen
Um ein Lächeln von dir
Und du - ich kann's nicht fassen,
Versagst es mir.
Ist's Schicksal, ist's dein Wille,
Du siehst mich nicht -
Nun wein' ich stille, stille,
Bis mir das Herz zerbricht.
Emanuel Geibel |
|
Am Flusse
Verfließet, vielgeliebte Lieder,
Zum Meere der Vergeßenheit!
Kein Knabe sing' entzückt euch wieder,
Kein Mädchen in der Blütenzeit.
Ihr sanget nur von meiner Lieben;
Nun spricht sie meiner Treue Hohn.
Ihr wart ins Wasser eingeschrieben;
So fließt denn auch mit ihm davon.
Johann Wolfgang von Goethe
Erinnerung
Hab' ich mich nicht losgerissen,
Nicht mein Herz von ihr gewandt,
Weil ich sie verachten müssen,
Weil ich wertlos sie erkannt?
Warum steht in holdem Bangen
Sie denn immer noch vor mir?
Woher dieses Glutverlangen,
Das mich jetzt noch zieht zu ihr?
Tausend alte Bilder kommen,
Ach! und jedes, jedes spricht:
Ist der Pfeil auch weggenommen,
Ist es doch die Wunde nicht.
Franz Grillparzer
Abschied
Schöne Wiege meiner Leiden,
Schönes Grabmahl meiner Ruh,
Schöne Stadt, wir müssen scheiden, -
Leb wohl! Ruf' ich dir zu.
Leb wohl, du heil'ge Schwelle,
Wo da wandelt Liebchen traut;
Leb wohl, du heil'ge Stelle,
Wo ich sie zuerst geschaut.
Hätt' ich dich doch nie gesehen,
Schöne Herzenskönigin!
Nimmer wär' es dann geschehen,
Daß ich jetzt so elend bin.
Nie wollt' ich dein Herz rühren,
Liebe hab' ich nie erfleht;
Nur ein stilles Leben führen
Wollt' ich, wo dein Odem weht.
Doch du drängst mich selbst von hinnen,
Bitt're Worte spricht dein Mund;
Wahnsinn wühlt in meinen Sinnen,
Und mein Herz ist krank und wund.
Und die Glieder matt und träge
Schlepp' ich fort am Wanderstab,
Bis mein müdes Haupt ich lege
Ferne in ein kühles Grab.
Heinrich Heine |