Du, mein Glück
Meine Seele, eine Taube,
Lang verflogen und verirrt,
Regt nun zwischen lauter Blüten
Auf dem schönsten Frühlingsbaume
Ihre Flügel leis vor Glück.
Du mein Baum voll lauter Blüten!
Du mein Glück! Du meine Ruh!
Meiner Sehnsucht weiße Taube
Regt die Flügel, regt die Flügel
Dir im Schoß. Süße! Süße!
Welch ein Wunder: Ich und du!
Otto Julius Bierbaum
Was eigentlich die Kleine will,
Das mag der Teufel wissen!
Bald guckt sie mich gar glühend an,
Als wär sie hingerissen.
Wovon? Wozu? Ich ahn es nicht;
Der Teufel mag es wissen.
Dann aber wieder macht sie mir
Ein Lärvchen, furchtbar sauer,
Daß mirs durchs ganze Rückenmark
Hinfährt wie kalter Schauer.
Weshalb? Warum? Ich weiß es nicht,
Bin immer gleich beflissen.
Was eigentlich die Kleine will:
Der Teufel mag es wissen.
Otto Julius Bierbaum
Ich muß dein gedenken
Ich suche durch Mühen
Meine Gedanken
Von dir zu lenken,
Aber sie glühen
Zu dir ohne Wanken,
Ich muß dein gedenken!
Wie nach der Sonne verlangen die Reben,
Verlangt mich's nach dir, meine Sonne, mein Leben!
Friedrich Bodenstedt
Die Uhr zeigt heute keine Zeit
Ich bin so glücklich von Deinen Küssen,
Daß alle Dinge es spüren müssen.
Mein Herz in wogender Brust mir liegt,
Wie sich ein Kahn im Schilfe wiegt.
Und fällt auch Regen heut ohne Ende,
Es regnet Blumen in meine Hände.
Die Stund', die so durchs Zimmer geht,
Auf keiner Uhr als Ziffer steht;
Die Uhr zeigt heute keine Zeit,
Sie deutet hinaus in die Ewigkeit.
Max Dauthendey |
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Geheimnis
Ich trag' ein glückseliges Geheimnis
Mit mir herum,
Ich möchts allen Leuten vertrauen
Und bleib' doch stumm!
Ach, jubeln möchte' ich und singen,
Von früh bis spät -
Und rege nur heimlich die Lippen,
Wie zum Gebet!
Anna Ritter
Das erste Liebeswort
Das war der süßeste der Laute!
Sie sprach's, das erste Liebeswort;
Im Herzen nun trag ich das traute
Tiefselige Geheimnis fort.
Allein, wo berg' ich meine Wonne,
Daß ich sie wohl behüten mag?
Dein Licht verhülle, läst'ge Sonne!
Verstumme, lärmbewegter Tag!
Weltfern sei meines Glückes Fülle
Begraben, wo sie nichts verrät
Und nur durch Nacht und heil'ge Stille
Des süßen Wortes Nachhall weht.
Friedrich von Schack
Bergseesturm
Dein Schiff gebrach, der Sturm
Tobt ohne Gnade;
Ich trug an meinem Hals
Dich ans Gestade.
Dann küßt ich deinen Mund -
E i n m a l hienieden! - -
Ich fühl ihn noch, den Kuß,
Mit dem wir schieden!
Ich trug dich aus dem Sturm
Wohl sonder Zagen;
Warum hast d u den Sturm
In mich getragen!?
Karl Stieler
Die Ungenannte
Auf eines Berges Gipfel,
Da möchte' ich mit dir stehn,
Auf Täler, Waldeswipfel
Mit dir herniedersehn;
Da möchte' ich rings dir zeigen
Die Welt im Frühlingsschein
Und sprechen: "Wär's mein eigen,
So wär' es mein und dein."
In meiner Seele Tiefen,
O, sähst du da hinab,
Wo alle Lieder schliefen,
Die je ein Gott mir gab!
Da würdest du erkennen,
Wenn Echtes ich erstrebt,
Und mag's auch dich nicht nennen,
Doch ist's von dir belebt.
Ludwig Uhland |